Der Honigvogel, eine Geschichte vom Geben und Nehmen
„Der Honigvogel ist schlau“ liest die deutsch-iranische Kinderbuchautorin Nasrin Siege mit weicher, klarer Stimme vor. Gebannt lauscht die Klasse 3b der afrikanischen Geschichte vom Honigvogel, von Baba, Davy und eben dem Vogel, der den beiden Kindern den Weg zum Bienennest zeigt. Schnell wird klar, nur miteinander schaffen es die drei, den Honig zu ernten. Botschaft: Alles ist möglich, trau dich, glaub an dich und vertraue anderen.
So wie Nasrin Siege, die als Achtjährige mit ihren Eltern aus dem Iran nach Deutschland kommt und bereits mit elf Jahren ihr erstes Märchen schreibt. Heute, 61 Jahre später (Autorin, Psychologin, Entwicklungshelferin und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes), sagt sie den Kindern der Erich-Kästner-Schule „ihr braucht Geschichten“ und animiert die Drittklässler immer mal wieder aufzuschreiben, was sie bewegt.
Damit die Schülerinnen und Schüler sich an diesem kalten Wintertag in Frankfurt vorstellen können, wie sich der Honigvogel im heißen Afrika anhört, hat die Autorin die Vogelstimme gleich mitgebracht. Genau wie die Feuerkralle und andere Gewächse aus Afrika, wo sie rund vier Monate im Jahr lebt. Eine lebendige, fesselnde Lesung, die viele Sinne angesprochen und die Kinder begeistert hat, „das war eine schöne Geschichte“; „mir hat gefallen, dass sie uns die Sachen gezeigt hat, die es in Afrika gibt“; „ich hole mir das Buch aus der Schulbibliothek“.
Vorgelesen zu bekommen, der Phantasie im Kopfkino freien Lauf zu lassen und ganz nebenbei die wertvolle Chance von Vielfalt und Sprache zu erfahren, das ist die Idee von Lesen live!, einem weiteren Projekt von chancenreich e.V. neben dem Frankfurter Bücherkoffer. Dass sich Nasrin Siege über den Honigvogel mit einer afghanischen Schülerin in deren Landessprache Dari unterhält, zeigt, wie wertvoll die eigene Familiensprache, „Sprache des Herzens“, für das ganze Leben sein kann.